Von der ARCOmadrid in das Herz der Extremadura

Eine Sculpture Network-Kunstreise (Experience) in den Frühling

Das Foto zeigt die in das Naturdenkmal "Los Barruecos" integrierte Skulptur "VOAEX" 1976 von Wolf Vostell. Photo A. Mendez.
Wolf Vostell: VOAEX (Viaje [H]Ormigon en Alta Extremadura), 1976. Photo: Armando Mendez.

Dunkel ist es im nordeuropäischen Winter, von November bis April kaum Licht. Und das unter widrigsten Umständen der Weltgeschichte: Klimawandel, Kriege und Chaoten bestimmen die Nachrichten.

Seit einigen Jahren engagiere ich mich ehrenamtlich als Koordinatorin für das europäische Sculpture Network und organisiere in Berlin und DE Nord-Ost Dialog-Veranstaltungen zu Themen der zeitgenössischen Skulptur. Als Kuratorin der Ausstellung BAR DELUXE des in Berlin lebenden Bildhauers und Konzeptkünstlers MK Kaehne im Museo Vostell Malpartida (MVM) entstand der Gedanke, der Sonne entgegen zu eilen und eine sogenannte Sculpture Network Experience nach Spanien zu organisieren.

Den Auftakt macht die internationale Kunstmessen ARCOmadrid. Eine der wichtigsten Messen für zeitgenössische Kunst, die spannende Impulse besonders aus dem lateinamerikanischen Raum nach Europa bringt. In diesem Jahr dreht sich alles um den Amazonas. Auf einem exklusiven Besuch der ARCOmadrid während des privaten Eröffnungstages erkunden wir auf einer geführten Tour die skulpturalen Highlights der Messe.

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Impression ARCOmadrid 2025 mit Werken von Ai Weiwei (Skulptur v. li.) und Miquel Barcelo (Malerei). Photo: Anemone Vostell
Impression ARCOmadrid 2025 mit Werken von Ai Weiwei (Skulptur v. li.) und Miquel Barcelo (Malerei).

Nach einem Networking Dinner mit weiteren Bildhauer*innen aus Madrid und Umgebung geht es am folgenden Tag per Bus weiter in die 3,5 Stunden entfernte mittelalterliche Stadt Cáceres in der Extremadura. Als UNESCO-Weltkulturerbestadt gehört sie zu den Orten mit dem drittgrößten monumentalen Ensemble Europas. Die besonders gut erhaltenen Straßen, Plätze, Paläste und Stadtmauern versetzen die Besucher*in in die Zeit des Mittelalters.

Auf der Plaza Mayor nehmen wir Tapas à la Extemeña: Migas – geröstete Brotkrumen mit Speck und andere Köstlichkeiten. Erhalten eine unterhaltsame Führung durch die beeindruckende Altstadt mit den schönsten Palästen und Kirchen. Am alten Kloster kaufen wir leckerste Mandelplätzchen: dazu klopft man an die Dreh-Durchreiche neben dem Eingang, erfragt die gewünschten Plätzchen und siehe da, die Drehscheibe bringt eine Schachtel zum Vorschein. Als Dank legt man eine Spende auf die Leerstelle und genießt die gesegnete Gabe.

Gruppenphoto auf der Plaza Mayor von Cáceres, im Hintergrund die mittelalterliche Altstadt.
Gruppenphoto auf der Plaza Mayor von Cáceres, im Hintergrund die mittelalterliche Altstadt.

In direktem Anschluss an die Altstadt liegt das Museo de Arte Contemporaneo Helga de Alvear mit einer außergewöhnlich zeitgenössischen Sammlung von mehr als 3.000 Werken führender internationaler Künstler*innen wie Louise Bourgeois, Jenny Holzer, Richard Long und Thomas Hirschhorn, um nur einige zu nennen. Das von dem preisgekrönten Architekten Emilio Tuñón entworfene Museum ist ein beeindruckendes Beispiel moderner Architektur und bietet einen faszinierenden Kontrast zur historischen Umgebung von Cáceres.

Über den Dächern der Stadt genießen wir eine spanische Cena und stromern noch durch die Gassen, bevor es am nächsten Morgen zu dem 10 km entfernten Museo Vostell Malpartida geht.

Das partizipative, der Fluxus- und Konzept-Kunst gewidmete Museum wurde 1976 von dem deutschen Maler, Bildhauer, Video-, Fluxus- und Happenig-Künstler Wolf Vostell gegründet. Inmitten einer außergewöhnlichen Landschaft plutonischen Magmagesteins, in den Gebäuden einer historischen Wollwasch-Anlage aus den Zeiten der Wanderschäferei (Trashumancia) untergebracht, verbindet es die Avantgarde-Kunst mit einem beeindruckenden Naturerlebnis.

Wir werden herzlich vom Museums-Direktor José Antonio Agundez empfangen. Kuratorin Josefa Cortés Morillo sowie Kunsttechniker Alberto Flores Galán führen uns beseelt durch die verschiedenen Sammlungen des Museums: Die Sammlung Mercedes & Wolf Vostell mit so ikonischen Werken wie „Autofieber“ von 1976 oder „Mythos Berlin„, 1987, eine 6 x 9 m große Malerei mit integrierten Objekten, wie Tiergerippe, Autotüren und Fernseh-Geräten.

Ansicht der Sammlung Mercedes & Wolf Vostell mit der Assemblage "Mythos Berlin", 1987
Geführte Tour durch die Sammlung Mercedes & Wolf Vostell mit der Assemblage „Mythos Berlin“, 1987

Über den Hof geht es hinein in eine der größten Fluxs-Sammlungen Europas, der „Donacion Gino Di Maggio“ mit Werken von Shigeko Kubota, Yoko Ono, Nam June Paik, Daniel Spoerri und George Maciunas, dem Begründer dieser internationalen Kunst-Bewegung nach dem zweiten Weltkrieg, u.a.m.

Anschließend sehen wir die von der Sammlung inspirierte Ausstellung „BAR DELUXE – Die Umkehrung des Readymade“ mit Skulpturen, Objekten und Fotoarbeiten des deutsch-russischen Konzeptkünstlers MK Kaehne. Beeinflusst vom russischen Konstruktivismus und dem Moskauer Konzeptualismus untersucht der Künstler die Spannung von Kunst und Funktionalität. Indem Kaehne Alltagsgegenstände in luxuriösem Design und voller Funktionalität neu interpretiert verwandelt er sie in industriell anmutende Kunstwerke, die sich dem praktischen Gebrauch entziehen und so Fragen zur Rolle der Kunst in der heutigen Gesellschaft aufwerfen. Der Künstler führt persönlich durch die Ausstellung und erläutert seine künstlerische Strategie.

Nach einem Netzwerk-Mittagessen mit den Freunden des Museo Vostell Malpartida gehen einige Teilnehmer*innen trotz Regenschauern in die Los Barruecos, einem Naturdenkmal aus plutonischem Magmagestein, in das zwei Skulpturen von Wolf Vostell eingelassen sind: VOAEX (Beton-Reise durch die obere Extremadura): ein 1976 von Vostell in Beton gegossener Opel Admrial, und „El Muerto que tiene sed (Der Tote, der durstig ist)“ von 1978.

Anschließend gibt der künstlerische Leiter des Museums, Levin Vostell, mein Sohn und einziger Enkel von Mercedes & Wolf Vostell, eine Führung durch das Atelier und Wohnhaus der Familie, den Palacio de Topete. Ein Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert, das vom Künstler 1977 restauriert wurde. Hier fand 1978 eine der ersten partizipativen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in der Extremadura statt, an der die einheimische Bevölkerung teil hatte. Das Dorf Malpartida de Cáceres wurde zur zweiten Heimat des Paars und symbolisiert ihre lebenslange Verbundenheit mit der Extremadura.

Der Palacio de Topete, Atelier und Wohnhaus von Wolf & Mercedes Vostell, in Malpartida de Cáceres, Extremadura/Spanien
Palacio de Topete, Atelier und Wohnhaus von Wolf & Mercedes Vostell, in Malpartida de Cáceres, Extremadura/Spanien