fair share! Aktion für mehr Sichtbarkeit von KünstlerInnen am 8. März

Visualisierung der Aktion durch Verena Kyselka

Künstlerinnen besetzen zum internationalen Frauentag die Piazzetta vor der Gemäldegalerie

Zwischen 14-15 Uhr findet dort eine performative Aktion statt, in der Bildende Künstlerinnen im Verbund mit Kulturschaffenden anderer Sparten symbolisch für mehr Sichtbarkeit von Frauen im Kunstbetrieb eintreten.

Die Akteurinnen – Vertreterinnen der Berliner Künstlerinnenverbände und –initiativen: Verein der Berliner Künstlerinnen 1867, Frauenmuseum Berlin, GEDOK Berlin, kunst+kind berlin, INSELGALERIE Berlin, SALOON BERLIN – beziehen auf der schräg abfallenden Piazzetta vor der Gemäldegalerie am Kulturforum Berlin Stellung.

Mit Blick auf den Bauplatz für das geplante Museum der Moderne sowie rechterhand die Neue Nationalgalerie, die nach einer langen Umbauphase kurz vor ihrer Wiedereröffnung steht, formieren sich mehrere Dutzend Künstlerinnen auf der schiefen Ebene zu einer Performance (Konzeption: Verena Kyselka; Umsetzung: Hilla Steinert).

Dabei beschriften sie u.a. die Granitplatten mit Künstlerinnenamen aus allen Jahrhunderten bis heute und nehmen so Bezug auf den Standort – im Rücken die historische Kunst, repräsentiert durch Angelika Kauffmann und Anna Dorothea Therbusch in der Gemäldegalerie und im Blick jene (noch zu platzierende) der klassischen Moderne und des 20. Jahrhunderts.

Gleichzeitig werden ca. 500 Künstlerinnennamen aus allen Epochen verlesen. So wird in Bild und Ton der Eindruck von Fülle und Sichtbarkeit jener Künstlerinnen offenbar, die jenseits von Münter, Laserstein, Goncarova, Kollwitz und Höch Kunstgeschichte mitgeprägt haben und mitprägen.

Flankiert wird die Performance von Bannern, die mit Zahlen und Grafiken die derzeitigen Missstände in den Fokus nehmen.

fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen

Der Diskurs um Geschlechtergerechtigkeit im Kunstbetrieb kommt – gut 150 Jahre nach der Gründung des ersten Künstlerinnenverbands in Deutschland, 100 Jahre nach der Öffnung der deutschen Kunstakademien für Frauen und 50 Jahre nach der ersten Aktion der Guerrilla Girls – nur langsam in der Öffentlichkeit an. Professorinnen an Kunsthochschulen, Museumsdirektorinnen und Sammlungsleiterinnen sind keine Seltenheit mehr, Gremien und Jurys werden weitgehend paritätisch besetzt und Förderungen aus öffentlichen Mitteln in den letzten Jahren meist ebenso vergeben. Nationale Institutionen wie der Berliner Martin-Gropius-Bau oder internationale Museen wie das MoMA oder die Tate Gruppe gehen inzwischen geschlechtergerechte Wege. Damit ist ein Anfang gemacht.

Und doch: Geschlechtergerechtigkeit im Kunstbetrieb ist immer noch eine Wunschvorstellung. Jüngste Studien wie jene des Deutschen Kulturrats (2016/2020), sowie Statistiken des bbk berlin auf Grundlage der Zahlen der Künstlersozialkasse zeigen, dass der Gender Gap weiterhin evident ist und im Kunstbetrieb sogar höher liegt als in anderen Branchen (31 %; 2020; Tendenz steigend). Nicht nur in den Künstler*innenverbänden sind die Zahlen bekannt; auch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Dr. Monika Grütters, behauptet, sich der Ungleichheit bewusst zu sein, doch lassen wirkungsvolle Maßnahmen ihres Ressorts auf sich warten.

Knapp 60 % der Absolvent*innen von Kunsthochschulen sind heute weiblich. Einzelausstellungen von zeitgenössischen Künstlerinnen* machen in den Programmen fast aller großen Häuser des Landes jedoch nicht einmal ein Drittel aus. Weit vorne liegt das NRW Forum Düsseldorf mit 31 % Einzelausstellungen von Künstlerinnen in den letzten 20 Jahren; in allen anderen Museen für zeitgenössische Kunst ist der Anteil viel geringer [1].

Ähnlich ist es auch um die Präsenz zeitgenössischer Künstlerinnen im musealen Schaubestand bestellt. Im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart Berlin waren 2020 lediglich Werke von drei Künstlerinnen zu sehen.

In der Kunst des 20. Jahrhunderts und vor allem vor 1900 liegt die Anzahl der von Künstlerinnen geschaffenen Werke in den Schausammlungen nicht selten unter 1 % – obwohl Ausstellungen wie die letztjährige Schau Kampf um Sichtbarkeit – Künstlerinnen der Nationalgalerie vor 1919 an der Alten Nationalgalerie in Berlin belegen, dass die Museen durchaus Werke von Künstlerinnen besitzen – aber verborgen in den Depots.

Der Umgang mit weiblichen Kunstschaffenden damals und vor allem heute lässt sich also erheblich verbessern. Solange im öffentlich geförderten, institutionellen Kunstbetrieb in Gruppen- und Einzelausstellungen zeitgenössische Künstlerinnen weiterhin unterrepräsentiert sind, solange der Ankaufsetat vor allem großer, sichtbarer und international wahrgenommener Häuser im Wesentlichen für Kunst von Männern ausgeben wird und Presse und Publikationen Künstler favorisieren, zieht auch der kommerzielle Kunstmarkt nicht nach. Hinzu kommen Förderungen der öffentlichen Hand oder Residenzen, die wesentlich zur Wertschöpfung eines Oeuvres beitragen und oftmals elitebetont an diejenigen vergeben werden, die sich durch Flexibilität und bruchlose Viten auszeichnen können. Künstlerinnen mit Care-Aufgaben bleiben hier auf der Strecke.

Wenig hilfreich auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit im Kunstbetrieb sind überdies die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Implikationen, sowie die kulturell bedingten, frauenfeindlichen Vorurteile, die seit Jahrhunderten gepflegt werden. Despektierliche Kommentare wie von Georg Baselitz sind ebenso kontraproduktiv wie die aktuell coronabedingte Retraditionalisierung der Geschlechterrollen und -aufgaben oder die deutsche Steuerpolitik.


[1] Quelle: Horst/Gantner in: https://www.ardmediathek.de/ard/video/strg_f/warum-sind-kunstwerke-von-frauen-weniger-wert/funk/Y3JpZDovL2Z1bmsubmV0LzExMzg0L3ZpZGVvLzE2OTUwODU/, Juni 2020