MK Kaehne – Pi = 3,14159

Eine retroaktive Künstlermonographie im DCV-Verlag

MK Kaehne: Day (Koffer: Selbst), 2001, Fotografie, 120 x 160 cm.
MK Kaehne: Day (Koffer: Selbst), 2001, Fotografie, 120 x 160 cm.

Die Biografie des Konzeptkünstlers MK Kaehne (geb. 1963 in Vilnius, lebt und arbeitet in Berlin) oszilliert zwischen Vilnius, Moskau und Berlin.

Vom russischen Konstruktivismus geprägt, zeichnet und baut er Koffer-Skulpturen in Warenhausästhetik, eine Umkehrung des Readymade-Prinzips. Sein Schwerpunkt verlagert sich allmählich vom Formalen zum Psychologischen, hin zu lebensgroßen Figuren wie It’s me (2023): eine hyperrealistische Nachbildung seiner selbst, kopfüber im Schlamm liegend, daneben ein Gartenzwerg.

Kaehne arbeitet streng analytisch, die Ergebnisse aber sind voller Tragik und Ironie. Absichtslose Zeichnungen, in denen Biografisches, Dadaistisches und Politisches verschmelzen, begleiten sein Oeuvre. Ein Gesamtkunstwerk, das die persönliche wie gesellschaftliche Entwicklung nachzeichnet.

MK Kaehne, Koffer: Landschaft, 2005, mixed media, Polyester, Dia/Neon, Chrom, Leder, 188 x 220 x 200 cm (geöffnet). Foto, Arwed Messmer
MK Kaehne, Koffer: Landschaft, 2005, mixed media, Polyester, Dia/Neon, Chrom, Leder, 188 x 220 x 200 cm (geöffnet). Foto, Arwed Messmer

Aus der Malerei kommend, entwickelt Kaehne zunächst Objekte zur Beobachtung und Vermessung des Bildraumes, zeichnet, konstruiert und baut Koffer-Skulpturen, mit denen er Gesellschaftliches, wie Autobiographisches thematisiert. Geprägt vom russischen Konstruktivismus, hineinkatapultiert in die Wendezeit verfolgt er quasi eine fluxistische Strategie, die Brüche seiner Zeit zu verarbeiten.

MK Kaehne ist Bildhauer, der Systeme präzise plant und baut. In ihrer detaillierten Mechanik und konsequenten Ausführung sind seine Skulpturen luxuriöse Erfüllungsbaukästen, die vom Schneebesen bis zur Krawattennadel alles bieten, was man im Alltag braucht. Aber Kaehne ist kein Designfetischist! In ihrer Warenhausästhetik sind seine Werke Kunstobjekte, mit denen er die geschönte Sichtweise der Konsumwelt brechen will.

Grammatikalisch-formal wie inhaltlich-diskursiv stellt er sich in den Kontext seiner Vorbilder Malewitsch oder auch Duchamp. Sucht ein Bild zu kreieren, das stimmig ist, gedanklich und formal. Präzise formuliert der Bildhauer in seinen Objekten die gesellschaftlichen Themen seiner Zeit, nimmt den konstruktivistischen Anspruch ernst.

MK Kaehne, Portrait (My mother was…), 2020/21, Silicon, Haare, Holz, Sweatshirt bestickt, 181 x 68 x 52 cm mit Sockel, Foto Eric Tschernow

In seinen jüngsten Arbeiten verlagert sich der Schwerpunkt vom Formalen mehr zum Psychologischen. Kaehne kreiiert nun lebensgroße Figuren, wie z. Bsp. „It’s me“ (2023). Eine hyperrealistische Nachbildung seiner selbst, kopfüber im Schlamm liegend, neben einem schelmischen Gartenzwerg. Die Arbeit am Thema ist stets streng analytisch, Kaehnes Resultate aber sind ironisch.

Projektionsfläche ist das biografische Erleben des Künstlers. Die Subjektivität wird so weit abstrahiert, dass sie zum Kunstwerk wird. „Alles kann in die Kreativität einfließen, durch wachsames Beobachten. Ohne Absicht, ohne Wollen“, so MK Kaehne, aber „es muss unbedingt wertfrei sein!“

In einer Endlos-Serie datumsloser Zeichnungen „P=3,141…“, die sein komplettes Oeuvre begleiten, lässt Kaehne Biografisches, Dadaistisches und Politisches miteinander verschmelzen. Ein Gesamtkunstwerk, das wie kein anderes die persönlichen wie gesellschaftlichen Entwicklungen vor dem Hintergrund einer Ost-West-Biografie nachzeichnet, ge- und erlebt vor allem in Berlin Prenzlauer Berg.

MK Kaehne: Stalin mit Ameise, o.D. Tusche/ Papier, Prägung auf Passepartout, zweiteilig, 
19,7 x 31,5 cm / 16,2 x 31,5 cm, Rahmenmaße 67 x 50 cm, Foto Eric Tschernow.
MK Kaehne: Stalin mit Ameise, o.D. Tusche/ Papier, Prägung auf Passepartout, zweiteilig,
19,7 x 31,5 cm / 16,2 x 31,5 cm, Rahmenmaße 67 x 50 cm, Foto Eric Tschernow.

Die zeitgeschichtliche Einordnung seines Werkes wird durch einen Text der Kultur-Journalistin Brigitte Werneburg vorgenommen. Werneburg war Redakteurin bei der taz – die tageszeitung und hat Kaehnes Werke bereits 1995 in der Galerie Johannes Zielke und 2017 bei Michael Schultz besprochen. Ergänzt durch ein Gespräch mit der langjährigen Kennerin seines Werkes, Kulturmanagerin Anemone Vostell, in dem Kaehne sein künstlerisches Selbstverständnis erläutert, das im Spannungsfeld von Ost-Sozialisation und West-Erlebnis, staatlicher Protektion und Markt-Freiheit steht.

Die Monographie bildet eine chronologische Übersicht seiner wichtigsten Werke in fließendem Übergang ab: von den Anfängen der Malerei über erste Installationen und Objekte, unterbrochen von Zeichnungen, bis hin zu den teils fotografisch inszenierten Skulpturen.

Insgesamt ist die retroaktive Monographie als bilanzierende Positionierung des Künstlers in unseren Zeiten des Umbruchs, aber vor allem auch vor dem Hintergrund der weltpolitischen Ereignisse, quasi in der Umkehrung des Mauerfall-Phänomens, zu lesen, für das das Berlin der Vor- und Nach-Wendezeit steht.

Cover mit Zeichnung "Pi=3,141..." von MK Kaehne. Gestaltung: müller&friends grafikdesign.
Cover mit Zeichnung „Pi=3,141…“ von MK Kaehne. Gestaltung: müller&friends grafikdesign.

Die Kreiszahl Pi=3,141… beschreibt das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser und hat unendlich viele Nachkommastellen. Darin sind bislang keine vorhersagbaren Muster erkennbar, die Ziffernfolge erscheint chaotisch und ist somit eine Konstante ohne Einheit.

In konsequenter Logik aus der räumlichen Arbeit eines Bildhauers übersetzt Kaehne dieses Prinzip der Irrationalität auf die Gestaltung des Katalogs, indem die chronologische Übersicht seines Gesamtkunstwerks, den fließenden Übergang von der Malerei, über die „Werkzeuge zum Koordinieren und Beobachten“ bis hin zu den Objekten und Skulpturen, durch absichtslose Zeichnungen unterbricht, und gleisam den Kreis seines künstlerischen Schaffens schließt.

Die Gestaltung des im November 2024 im DCV-Verlag erscheinenden Katalogs erfolgt in Zusammenarbeit mit der Gestaltungsplattform müller&friends grafikdesign. von Prof. Felix Müller.

Gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Berlin, sowie mit freundlicher Unterstützung von Dr. Erika Habermalz, ehm. Galerie Hartwig, Bremen und Galerie Hartwich, Rügen.

Sculpture Network’s Emerging Sculptor Award 2024

BAM! nominierte Künstlerinnen besetzen die ersten beiden Plätze des neu ins Leben gerufenen Preises für aufstrebende Bildhauer*innen

Ruta Putramentaite, Creature No. 17 (detail), 2023. Garbage, paper mache, soil, sugar, bioplastic, flax seeds, wood, bones, approx. 2m x 1m x 1m
Ruta Putramentaite, Creature No. 17 (detail), 2023. Garbage, paper mache, soil, sugar, bioplastic, flax seeds, wood, bones, approx. 2m x 1m x 1m

Zum ersten Mal vergibt Sculpture Network, das führende Netzwerk für dreidimensionale Kunst in Europa, drei Preise, um den künstlerischen Weg aufstrebender Bildhauer*innen zu unterstützen. BAM! Berlin Art Management nomierte die beiden ersten Plätze: Der erste Preis geht an Ruta Putramentaite (geb. 1989, LT), der zweite Preis an Jindřiška Jabůrková (geb. 1995, CZ). Der dritte Preis an Nevena Ekimova (geb. 1984, BG).

Die Koordinator*innen des Netzwerks waren aufgefordert, mindestens drei Künstler*innen im Alter von bis zu 40 Jahren für den Preis zu nominieren, der an keinerlei Auflagen gebunden, und mit jeweils 3.500, 2.500 und 1.500 Euro dotiert ist.

Portrait of young artist Ruta Putramentaite (LT/CZ)
Ruta Putramentaite (LT/CZ)

Platz 1 belegt Ruta Putramentaite aus Litauen. Sie hat einen unverwechselbaren und interaktiven Weg eingeschlagen, um der Frage nachzugehen, was es bedeutet, Mensch im 21. Jahrhundert zu sein. Sie bewegt sich an der Grenze zwischen persönlichen und kollektiven Spuren und konzentriert sich auf die asymmetrische Beziehung zwischen Natur und Mensch. In ihren Arbeiten, in denen sie die verschiedensten Medien einsetzt, darunter Skulptur, Schrift, Audio und Performance, verbindet sie die Wiedergabe übernommener Botschaften mit ihrer eigenen Agenda.

Installation by Ruta Putramentaite, No Title, 2023. Garbage, paper mache, kombucha leather, soil, sugar, wood, bones, dimensions variable
Ruta Putramentaite, No Title, 2023. Garbage, paper mache, kombucha leather, soil, sugar, wood, bones, dimensions variable

Wir treffen auf Fragmente der Hinterlassenschaft menschlicher Aktivitäten und ihrer Wirkung auf die Umwelt. Durch ihre Installationen wird die Verflechtung von industriellen und natürlichen Prozessen offengelegt, konzeptionelle Unterscheidungen werden in Frage gestellt und ihr wechselseitiger Einfluss sichtbar gemacht. Ihre einzigartige Fähigkeit, diese existenziellen Fragen künstlerisch zu transportieren, zeichnet ihre Auseinandersetzung mit unserer Zukunft aus.

Ruta Putramentaite (geb. 1989) stammt aus Litauen, lebt in Tschechien. Sie studierte Fotografie an der Middlesex University in London und ist Absolventin des Prager UMPRUM (Edith Jeřábková und Dominik Langs Studio für Bildhauerei).

Jindřiška Jabůrková: Through Quiet Places you Shall Unite, 2022. Concrete, clay, 35 qm, site-specific installation. Photo: Peter Kolárčik
Jindřiška Jabůrková: Through Quiet Places you Shall Unite, 2022. Concrete, clay, 35 qm, site-specific installation. Photo: Peter Kolárčik

Kuratorin Veronika Čechová (Entrance Gallery, Praha/CZ), mit der ich über das Saloon Netzwerk verbunden bin, macht mich auf die junge Bildhauerin Jindřiška Jabůrková aufmerksam. Sie fasziniert mit ihrer Fähigkeit, magische Welten zu erschaffen. Mit gezielten Gesten, die spielerisch erscheinen, lädt Jabůrková die Betrachter:innen ein, sie auf ihrer fesselnden Reise zu begleiten.

Aus weggeworfenen Materialien, die sie im öffentlichen Raum findet, formt Jabůrková ihre eigenen einzigartigen Objekte. Sie erscheinen uns wie natürlich gewachsene Formen und Strukturen und bilden neue Gegenstände ohne Funktionen, die in ihrem eigenen Kosmos unser tägliches Handeln hinterfragen. Ihre künstlerischen Arbeiten ähneln Landschaften, wobei die entstehenden Objekte an Narben auf der Haut erinnern und zum Nachdenken über unsere Konsumgewohnheiten anregen.

Jindřiška Jabůrková wurde 1995 in Zlin, Tschechische Republik, geboren und studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Prag.

Jindřiška Jabůrková in her studio. Photo by Juliana Vlčková
Jindřiška Jabůrková. Photo by Juliana Vlčková

Den dritten Preis belegt die bulgarische Bildhauerin Nevena Ekimova, nominiert von Künstlerin und Sculpture Network Koordinatorin Marina Bauer.

Nevena Ekimovas tiefe Leidenschaft für den bildhauerischen Ausdruck zeigt sich in ihrer engen Verbindung zum Publikum wider. Ihre visuell beeindruckenden und taktilen Kunstwerke sind eine Mischung aus Poesie und Performance und laden zur aktiven Auseinandersetzung ein.

In ihren Werken erforscht sie die Machtdynamik in Beziehungen und die Traditionen Bulgariens. Ausgebildet in Norwegen, Island und an der schwedischen Kunstakademie Valand, schafft Ekimova eine Verbindung zwischen ihrer internationalen Kunstausbildung und dem kulturellen Erbe ihres Heimatlandes. In Anknüpfung an die Textiltradition von Gabrovo verwendet sie in ihren Werken recycelte Stoffe. Sie überzeugte die Jury mit ihrem erzählerischen Charme und ihrer starken Bindung an das Erbe ihres Heimatlandes. Ekimova ist eine hervorragende Wahl für die Auszeichnung.

Installation „Wooden Wedding“, Autorin Nevena Ekimova / Ausstellung „Everything (is) OK“, Fonds zur Unterstützung künstlerischer Projekte von Frauen, Bulgarischer Fonds für Frauen / Fotografin: Rosina Pencheva
Инсталация „Дървена сватба“, автор Невена Екимова / изложба „Всичко (ни) е наред“, Фонд в подкрепа на артистични проекти на жени, Български фонд за жените / фотограф: Росина Пенчева

Sculpture Network fördert das Medium Skulptur durch die Vernetzung von Künstler:innen, Kunstfachleuten, Kurator:innen und Liebhaber:innen der Bildhauerei in Europa und darüber hinaus. Seine Mitglieder haben die Möglichkeit, ihre Werke auf der Website dieses führenden Netzwerks für dreidimensionale Kunst zu präsentieren, und profitieren von seiner Reichweite. Über die Sculpture Network-Website, die sozialen Medien, den Newsletter sowie Live- und Online-Veranstaltungen werden Skulpturliebhaber:innen international verknüpft.

Das Kuratorium von Sculpture Network, der Künstler und Mitbegründer Hartmut Stielow und die Kunsthistorikerin Laure Debouttiere schlugen vor, den Emerging Sculptor Award ins Leben zu rufen, um aufstrebende Bildhauer:innen im Alter von 25 bis 40 Jahren zu fördern und zu unterstützen.

Für den ersten Platz wurden 3.500,- Euro vergeben, der zweite Preis ist mit 2.500,- Euro und der dritte Preis mit 1.500,- Euro dotiert. Die Preisträger:innen erhalten außerdem eine kostenlose einjährige Mitgliedschaft im Sculpture Network.

Die Koordinator:innen von Sculpture Network, Susanne Ahrenkiel, Marina Bauer, Neus Bergua, Anne Berk, Frank Nordiek, Hilde van Canneyt und Anemone Vostell, haben 32 Kandidaten und Kandidatinnen nominiert. Als Kunstfachleute und Künstler:innen haben sie einen Einblick in die Kunstszene ihrer Länder und der angrenzenden Regionen.

Die Jury war mit Hartmut Stielow, Laure Debouttiere, dem Künstler und Kurator Philipp Morlock unter dem Vorsitz von Künstler und Assistant to the Board Blake Ward besetzt. Nach Durchsicht von 32 beeindruckenden Bewerbungsprofilen und Portfolios traf die Jury ihre Wahl anhand der Kriterien künstlerische Innovation und Experimentierfreude sowie Bekenntnis der Kandidat:innen zum Medium Skulptur.

Weitere Informationen finden Sie unter diesem Link!

Art moves – art connects

Sculptura #2 festival in Brussels

Pavlina Kvitas riesige Skulptur Guardian von 2023 im historischen Gare Maritim in Brüssel zum belgischen Skulpturen-Festival Sculptura #2 vom 19. Januar bis 10 März 2024
Pavlína Kvita (*1988): Guardian, 2023. Glasfaserbeton, 250 x 210 x 180 cm. Foto Willi Reiche.

Zum zweiten Mal findet in Brüssel das Sculptura Festival statt. 2024 wurde Sculptura #2 erweitert und bezieht den öffentlichen Raum mit ein. Die Ausstellung im historischen Gare Maritime wird um einen Skulpturenpark auf dem Gelände von Tour & Taxis sowie von Ausstellungen an verschiedenen Orten in der europäischen Hauptstadt ergänzt.

Sculptura ist eine europäische Geschichte, an der 40 Künstler*innen aus allen Teilen Europas teilnehmen. In Zusammenarbeit dem führenden europäischen Netzwerk für dreidimensionale Kunst sculpture-network.org hatte ich neben meinen Kolleg*innen Anne Berk, Marina Bauer (HRV) und Hilde van Cannyet (BE) die Gelegenheit, zwei Bildhauer*innen aus dem Baltikum für die Ausstellung zu kuratieren:

Sigita Dackevičiũtė (*1959) aus Litauen mit der Installation Nature/Civilisation II aus dem Jahr 2021. Dackevičiūtė studierte Kunst in Vilnius und Kaunas, und unterrichtet Bildhauerei, Komposition und Zeichnung am Kunstgymnasium Kaunas seit 1983.

Die mehrteilige Installation Nature/Civilisation II von Sigita Dackevičiūtė auf dem Festival Sculptura #2 in Brüssel 2024.
Sigita Dackevičiūtė: Nature/Civilisation II, 2021 , © Sculptura#2 (in front)

Ihr Werk umfasst Installationen, Skulpturen und digitale Kunst. Es ist eine Kombination aus abstrakten Formen, geometrischen Mustern, organischen Elementen und leuchtenden Farben. Sie experimentiert oft mit verschiedenen Techniken und Materialien, was ihren Arbeiten eine dynamische und ausdrucksstarke Erscheinung verleiht.

Ihre Installationen mäandern entlang ökologischer Themen und der Überschneidungen von Natur und Technik. Andere Themen, die Dackevičiūtė in ihrem Werk erforscht, sind die Spannung zwischen dem Individuum und der Gesellschaft sowie die Suche nach Identität und Selbsterkenntnis. Sie lenkt ihre Aufmerksamkeit auf Prozesse wie ‚jemand anderes zu werden“, oder „in den Schuhen eines anderen zu stehen“, als auch auf das Infragestellen gewohnter Hierarchien.

Die inhaltliche Spannung verstärkt sie durch Konfrontation und Kontrastierung von Formen, Materialien und Rhythmen. Unterschiedliche Formen und Rhythmen interagieren unterschiedlich mit visuellen Eindrücken: Sie verstärken oder schwächen sich gegenseitig und schaffen zusätzliche, widersprüchliche Schichten von Bedeutung.
Ihre Arbeiten geben keine Antworten, sie versuchen lediglich, die Komplexität die komplexe Beziehung des modernen Menschen zur Natur und Gesellschaft aufzuzeigen.

Des weiteren Mari Männa (* 1991), eine estnische Künstlerin, die bekannt für ihre Skulpturen und Installationen ist. Sie studierte an der Estnischen Kunstakademie, an der Gerrit-Rietveld-Akademie in Amsterdam und an der Aalto-Universität in Helsinki.

Die estnische Künstlerin Mari Männer in ihrer Skulpturengruppe "Remnants" von 2021.
Maria Männa: Remnants, 2021

Maris Arbeit ist inspiriert von der Natur und alter Architektur. Ihre Skulpturen sind oft abstrakt und minimalistisch und zeigen einen Sinn für Bewegung und Dynamik. Ihre bildhauerische Praxis wird von dem Drang angetrieben, Materialien zu erforschen und als ein tägliches Ritual greifbare Formen zu schaffen. Indem sie sich auf Versuch und Irrtum einlässt, hält sie den dynamischen Fortschritt in ihrer Praxis aufrecht. Gleichsam sind ihre Installatione großformatig und imposant und zeigen die Schönheit der Natur und der menschlichen Interaktion mit der Umwelt.

Die Installationen von Männa laden dazu ein, Ruinen zu entdecken: Reste von antiker Säulen und Reliefs. Ihre Werke scheinen einer archäologischen Stätte zu entstammen, wo man sie aus verschiedenen Perspektiven erkunden kann.

Für sie funktioniert Humor als ein wesentlicher Bewältigungsmechanismus, der es ermöglich, gesellschaftlich unerwünschte Impulse umzulenken. Ihre Kunstwerke verweben persönliche Geschichten mit größeren politischen Geschichten.

Acht Wochen lang (19.01.- 10.03.2024) läuft das Festival unter dem Motto „Art Moves, Art Connects“ (Kunst bewegt, Kunst verbindet), bei dem es um die Entdeckung von Skulpturen aus verschiedenen Kunstrichtungen geht, von monumentalen bis hin zu kleineren Werken. Ziel dieser Begegnung ist es, das Publikum zu ermutigen, sich mit dem Genre der Skulptur zu beschäftigen und sich bewusst damit auseinanderzusetzen, woran man in der Stadt eher vorbeigeht. So wird es in Brüssel selbst mehrere Skulpturen zu entdecken geben, unter anderem im Pixel Museum, im MigrationMuseumMigration in Molenbeek und im Hotel The Dominican.

Unter dem Label des belgischen Vorsitzes des Rates der Europäischen Union im ersten Halbjahr 2024 wurde Sculptura als offizielle kulturelle Aktivität anerkannt. Darüber hinaus wird das Festival eine zusätzliche Komponente haben, die die Kunstsammlung des Europäischen Parlaments hervorhebt.

Der Katalog zur Ausstellung steht hier zum Download bereit.

Let’s talk about LOVE

Ein Gespräch mit dem Künstlerpaar Katrin Bongard und Uwe Carow in der Kunstgießerei Altglienicke

Artists Katrin Bongard and Uwe Carow in front of their works
Katrin Bongard und Uwe Carow vor ihren Werken

Katrin Bongard und Uwe Carow bezeichnen sich als „working couple“ Katrin versteht sich als Malerin, auch wenn die meisten Ihrer Arbeiten Wandobjekte sind. Uwe ist Bildhauer und Poet. Seit sie sich in der Hausbesetzer-Szene Berlins der 80er Jahre kennen lernten, leben sie einem fortwährenden Dialog, der sich über ihre Beziehung, Familie, ihr gesamtes – künstlerisches -Schaffen, ihr Sein erstreckt.

Die Ausstellung LOVE YOU – RELATIONS ist das Ergebnis ihrer EXPLORATION #1 – einem Format, das Bongard und Carow in 2022 entwickelten und als Exhibition in Progress bezeichnen. Zwei Künstler erforschen sich gegenseitig, kombinieren ihre Arbeiten, finden neue Wege der Ausstellung, kommunizieren durch Kunst.

Die zweiteilige Plastik "Paar #4" von Uwe Carow, bemalt von Katrin Bongard.
Uwe Carow: Paar #4, 2022/3

Artist Talk – Sonntag 12. November 2023 – 15 Uhr

Kunstgiesserei Altglienicke

Wegedornstraße 46 | 12524 Berlin | Deutschland

Fon: +49(0)30 44 55 181 | Fax: +49(0)30 44 73 23 11

E-Mail: 

Internet: www.kunstgiesserei-altglienicke.de

Is it no more beautiful than that?

Und doch: Schöner ist es nicht? Neueröffnung von CAMP SPACE Berlin

Gemälde der jungen Malerinnen Roxanne Krumm (USA) und Skai (Litauen) in der Pop-Up Galerie CAMP SPACE Berlin
Malerei von Roxanne Krumm and Skai kuratiert von Tayla Camp

7. September bis 2. Oktober 2023

Mit „Is It No More Beautiful Than That?“ / „Und doch: Schöner ist es nicht? Das ist das Ganze?“ eröffnet Kuratorin und Galeristin Tayla Camp (geb. 1991, USA)  einen neuen temporären Kunstraum in Berlin Mitte. Das Projekt Camp Space etabliert sich als Pop-Up Galerie, die insbesondere Frauen und artists of color eine Plattform bietet.

Gallery owner and curator TAYLA CAMP sitting in her black office.
Gallery owner and curator Tayla Camp

Mit der Eröffnungsausstellung werden zwei junge Künstlerinnen auf ihrer komplexen Suche von Enttäuschung und Unzufriedenheit hin zu emotionaler Erfüllung begleitet. Mit neuen stilistisch unterschiedlichen aber thematisch aufeinander bezogenen Werken dokumentieren die Künstlerinnen Roxanne Krumm (geb. 1988, USA) und Skai (geb. 1992, Litauen) ihr entschlossenes, fast zermürbendes, Bemühen um Wahrheit und Lebendigkeit sowohl in sich selbst als auch in der sie umgebenden Realität.

Camp Space will aufstrebenden Künstler:innen, insbesondere Frauen und artists of color würdigen, deren Werke Geschichten erzählen und zur Sinngebung anregen. Durch sorgfältig kuratierte Präsentationen, die sich mit sozialen, kulturellen und politischen Themen auseinandersetzen, gewährt Camp Space eine Plattform für intersektionale Repräsentation. Camp Space bietet Kunstwerke zu Preisen, die auch kleineren Budgets gerecht werden, von hochwertigen Kunstdrucken bis hin zu Originalgemälden in unterschiedlichen Formaten.

Awesome painting "When will the wait be over?" (2022, oil on canvas, 40 x 40 cm) by young lithuanian painter SKAI
Skai: When will the wait be over?, 2022. Oil on panel, 40 x 40 cm.

Galerie Neueröffnung in Berlin
Camp Space präsentiert: „Und doch: Schöner ist es nicht?“
Werke von Roxanne Krumm und Skai, kuratiert von Tayla Camp
07.09. – 02.10.2023
Brunnenstraße 22, 10119 Berlin

Presse Preview: 4. September, 18 bis 22 Uhr
Vernissage: 6. September, 18 bis 23 Uhr

Press Contact: ARTEFAKT Kulturkonzepte

Land-Partie von Berlin zur Sommerausstellung „Am Seegarten“ in Kirchmöser am Plauer See 

Gelände der ehemaligen Pulverfabrik Kirchmöser. © Clemens Poloczek

Sculpture-Network Berlin Dialogue am 9. September 2023

Neun renommierte Berliner Galerien und das silent green präsentieren in dieser Sommerausstellung skulpturale und raumspezifische Installationen von Künstlern aus ihrem Programm in der ehemaligen Schießpulverfabrik. 

Karin Sander: No. 11: SAGA BERA, 2022. Fabric, glass, MDF, metal, paint, paper, plaster, pigment, plastic, wood. 89,5 x 103 x 48 cm (35 1/4 x 40 1/2 x 18 7/8 in). 5 works included. Courtesy of Esther Schipper, © Ludger Paffrath

Die Berliner Galerie Ebensperger und das silent green Kulturquartier haben das Gelände erschlossen, um das glamouröse Theater mit Clubhaus und das zweigeschossige Bürogebäude als Ort für künstlerische Projekte wiederzubeleben.

Eva Koťátková: Out of sight, 2015. metal, string ball. Notes:124 x 203 x 90 cm. Courtesy the artist and Meyer Riegger © Ludger Paffrath

Rund 60 ausgewählte Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern wie Eva Koťátková (Meyer Riegger), Heike Kabisch (ChertLüdde) oder Karin Sander (Esther Schipper) greifen den morbiden Charme des Ortes auf und regen dazu an, sich mit der Vergänglichkeit von Zeit und Raum, oder auch einem Künstler*innen-Atelier auseinanderzusetzen. 

Jan St. Werner mit Michael Akstaller: Efferenteffekt (Wir können nichts vernünftiges sagen, über die Beziehung zwischen der Beschreibung und dem was beschrieben wird), 2023. Speaker panel, sound, Courtesy of silent green © Ludger Paffrath

Erfahren Sie aus erster Hand mehr über das Projekt und nutzen Sie die Gelegenheit zum Austausch mit Gleichgesinnten.

Heike Kabisch: I told you to be more passionate…/Pose 1, 2019. Ceramic, plastic, paper, fabrics, bed sheet, pillow, 160 × 78 × 36 cm. Courtesy of the Artist and ChertLüdde © Ludger Paffrath

Eine Veranstaltung von BAM! Berlin Art Management, präsentiert von Sculpture Network. Anmeldung erbeten hier!

Renata Lucas und MK Kaehne – ein skulpturaler Diskurs in die Konzeptkunst

Sculpture Network Berlin Dialogue in den Galerien neuegerriemschneider und Semjon Contemporary in Mitte

Abb. li.: Ausstellungsansicht MK Kaehne – MUTTER bei Semjon Contemporary, 21. April – 3. Juni 2023, Photo: Doyeon Lexi Kim. Abb. re.: installation view: Renata Lucas, short cut, April 29 – May 27, 2023, neugerriemschneider, Berlin © Renata Lucas. Courtesy the artist and neugerriemschneider, Berlin. Photo: Jens Ziehe.

Renata Lucas (* 1971 in Ribeirão Preto) ist eine brasilianische Installations- und Konzeptkünstlerin, die in São Paulo lebt und arbeitet. In der Präsentation short cut ihrer Einzelausstellung bei neugerriemschneider (28.4. – 27.5.) baut Lucas auf konkurrierenden Vorstellungen von kontemplativer, nicht greifbarer Interaktion und deren quantifizierbarer Bewertung auf und lädt die Betrachter ein, sich aktiv an einer münzbetriebenen Installation zu beteiligen, die die Bedingungen der Aufmerksamkeit und die Prozesse der Interpretation neu überdenkt.

MK Kaehne (*1963 Vilnius/Litauen) ist ein deutsch-russischer Bildhauer, der in Berlin lebt und arbeitet. Neben den berühmt berüchtigten, funktionalen Kofferskulpturen des Bildhauers MK Kaehne zeigt die Ausstellung MUTTER neue Objekte, lebensgroß und hyperrealistisch dargestellte Menschen – einen weiblichen Akt sowie die Büste eines Jungen – in der für Kaehne typischen Ästhetik. In der Galerie Semjon Contemporary dreht sich alles um das Thema „Mutter“ in mannigfaltiger Version. Kaehne, der in Moskau und Berlin aufgewachsen ist und seine künstlerische Laufbahn nach seinem Studium an der Kunsthochschule Weißensee (1983-88) in der Wendezeit begann, ist vom russischen Konstruktivismus geprägt. Sein Werk ist stark analytisch, greift biografische, politische und dadaistische Elemente auf; die Resultate aber sind ironisch.

Am Samstag, den 27. Mai 2023, biete ich im Rahmen der Dialog-Veranstaltungen des europäischen Bildhauer*innen-Netzwerkes Sculpture Network eine Führung zum Thema „Konzeptkunst“ an. Anmeldung über das Büro.

MK Kaehne – MUTTER

Eine Ausstellung von MK Kaehne in Zusammenarbeit mit Galerie Semjon Contemporary

MK Kaehne: o.T., 2015-19 (Detail),
Mixed Media, Epoxidharz, Ölfarbe, 167 x 147 x 219 cm (mit Sockel)

Eine weibliche Figur sitzt nackt auf einem Bett und betrachtet ihren Schoß. Das ist der Haupt-Akt der Ausstellung des deutsch-russischen Bildhauers in der Berliner Galerie Semjon Contemporary in Mitte. Hyperrealistisch formuliert Kaehne die Frage nach der Geschlechteridentität in unserer postmodernen Zeit. Das Bett einem Podest gleich, hebt die Frau auf Augenhöhe mit dem Betrachter. Es erfolgt keine Überhöhung im Stil einer christlich-abendländischen Ikonographie. Das Bild der Mutter wird enttabuisiert; die Frau kann sagen, dass sie keine Erfüllung mehr im Mutterdasein empfindet. Gleichsam ist sie nicht länger als Objekt der Begierde dargestellt, sondern nüchtern in Selbstschau versunken.

MK Kaehne: MUTTER, 2019. Acrylglas, LED, 33 x 132 x 6 cm

Wie die Reklame eines Unternehmens prangt die Leuchtschrift MUTTER in kapitalen Lettern hinter ihrem Rücken. Ein veraltetes Konzept, das seltsam im Kontrast zur hyperrealistisch dargestellten Nacktheit der Frau steht. Leberflecke, Hautrötungen, ungeschminkt sitzt sie da. Will nicht gefallen und interessiert sich auch nicht dafür, wie sie ankommt. Über einen Schmink-Spiegel in Selbstschau versunken, ist sie es, die sich da definiert. Ein Akt der Selbstermächtigung. Nicht der Betrachter hat die Macht, über ihre Identität zu bestimmen, sondern die Frau.

Beigeordnet sind ihr der Koffer:Handtasche, aus schwarzem Lack, ausgelegt mit schwarzem Velours, der eine Handtasche, einen Baseballschläger und Hygiene-Tampons enthält; ebenso wie ein Edelstahl-Schneebesen im Objektkasten mit Plexiglashaube, auf der die eingravierte Losung „Destroy“ zu lesen ist. Edel und luxuriös kommen die detailgetreu gefertigten Objekte daher. Erst auf den zweiten Blick fällt die Brutalität und Agression ins Auge. Wie geht das zusammen mit der harmlos aussehenden Dame da auf Bett?

MK Kaehne: Koffer:Handtasche, 2019,
Mixed Media, Epoxidharz, Velours, 68 x 116,5 x 79cm (mit Sockel)

Mit der Aussage „Die Vorliebe der Bourgeoisie für den Surrealismus ist Ausdruck ihrer andauernden Pubertät. Mutter“,  lässt MK Kaehne einen Wandteller, Symbol von Spießigkeit, verzieren; hinterfragt die bekannten Stereotype.

Kaehne, der 1963 in Vilnius, Litauen (UdSSR) geboren wird, seine Kindheit und Jugend in Moskau, später in Berlin-Ost verbringt, und seine künstlerische Karriere in der Wendezeit startet, macht die Erfahrung, dass die kommunistische Idee von innen gescheitert ist: die, die den Kommunismus proklamiert haben, sind Dikatoren geworden; der glühende Gedanke war gekoppelt mit Spießigkeit und Borniertheit.

Teller, 2019. Gravur auf Porzellan, Edition von 20, 33 x 1,5 cm

Seine Biografie hat ihn zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dem russischen Konstruktivismus geführt. Streng analytisch arbeitet Kaehne am Thema, das Resultat aber ist ironisch. Das biografische Erleben des Künstlers wird Projektionsfläche, die Subjektivtät so lange abstrahiert, bis das allgemein Gültige zu erkennen ist, grammatkalisch-formal wie inhaltlich-diskursiv. „Alles kann in die Kreativität einfließen, durch wachsames Beobachten, ohne Absicht, ohne Wollen. Nur muss es unbedingt wertfrei sein!“ sagt MK Kaehne.

Im Kabinet der Galerie ist eine weitere vom Künstler hyperrealistisch gefertigte Figur zu sehen: die Büste eines Jungen, präsentiert auf einem Sockel mit Plexiglashaube, ein Vitrinenkasten in sowjetrussischem Stil. Der Junge trägt ein Kapuzenshirt mit dem aufgestickten Schriftzug „My mother was a friend of an enemy of the people„; einem Song der Punk-Band blurt entlehnt. Auch hier kein Bruch, sagt der Künstler, denn auch Punk ist Pop (Populär-Musik).

Mit dieser Figur leitet MK Kaehne zu seiner neuen Werkgruppe, oder besser gesagt einem ganzen Zyklus über: „Pi = 3,141...“, einer Endlosserie von Zeichnungen und Objekten, in denen Biografisches, Persönliches, Dadaistisches und Politisches verschmilzt, inszeniert als Gesamtkunstwerk.

Do not touch …“ (the object) ist da im Rahmen über dem Podest, auf dem in Griffhöhe ein Stecker mit Kabel liegt, zu lesen. Das Kabel hat am anderen Ende auch eine Stecker, der führt hinunter auf den Boden und in eine Steckdose hinein. Ein Paradoxon, das so in der Elektrik gar nicht möglich wäre, und sogar verboten ist.

MK Kaehne spielt die Grammatik der zeitgenössischen Kunst frei nach Boris Groys durch, verortet sich: (Hyper-) Realismus als Antwort auf Realität.

Vernissage: 21. April 2023, 19 Uhr

Gallery Weekend Berlin: 28. – 30. April, Fr/Sa 13 – 19 Uhr, So 13 – 17 Uhr

Künstlergespräch: 6. Mai 2023, 15 Uhr

Ausstellungsdauer: 22.4 – 3.6.2023

Semjon Contemporary, Schröderstr. 1, 10115 Berlin-Mitte; Di – Sa 13 – 19 Uhr u.n.V.

Sculpture Network – Berlin Dialog I

Ausstellungsbesuch „Neues Berliner Eisen“ in der Kunstgießerei Altglienicke

Kunstguß. Photo: Vivian Reinheimer

Im Rahmen der 9. Internationalen Konferenz für Kunstguß (ICCCIA) in Berlin kuratiert die Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach in der Kunstgießerei Altglienicke eine Ausstellung mit Plastiken von Julia Schleicher, Kerstin Grimm, el.doelle, Frank Seidel und sich selbst.

Anna Franziska Schwarzbach: Bettelnder weiblicher Plagegeist. Gußeisen.

Am 22. September 2022 gibt es eine Kurator:innenführung, und die Geschäftsführerin Anke Schirlitz gewährt Einblick in die Arbeitsweise ihrer Kunstgießerei für Bronze, Aluminium und Kunststoff, die sich einer besonders engen, kreativen Zusammenarbeit mit Kunden und Künstlern verschrieben hat.

Paolo Primiero: Arbeiterhände (Hände des Meisters Hoche´,  Eisengießerei P.&HP. Behr in Berlin Weissensee), 1991. Courtesy: the artist.

Programm:

15:30 – 17:00 Uhr      Begrüßung und Einführung durch die Geschäftsführerin der Kunstgießerei, Anke Schirlitz. Anschließend Führung mit der Kuratorin und Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach

17:00 Uhr                   Get together mit Vorstellungsrunde für sculpture network Mitglieder und solche die es werden wollen

Teilnehmer:innengebühr: 20,00 Euro (normaler Preis), 10,00 Euro sculpture network Mitglieder
Bitte bar (passend) vor Ort zahlen. Umfasst Willkommensgetränk und Snacks, Führung, Einführung in die Kunstgießerei, Netzwerken.

In Kooperation mit Kunstgießerei Altglienicke

Der Dialog wird von der neuen Koordinatorin von sculpture network für Berlin, Anemone Vostell, organisiert. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen im internationalen Kunstmarkt und im Kunstmanagement.
Im Jahr 2020 gründete sie BAM! Berlin Art Management und bietet Künstlern, Kuratoren, Galerien und Sammlern maßgeschneidertes Projektmanagement.

UMGANG

Die Ausstellung „UMGANG“ in Zusammenarbeit mit der Galerie VUNU und der Kunstfakultät der Universität Ostrava befasst sich mit der Frage des menschlichen Zusammenlebens und präsentiert Werke von Künstlern aus der Slowakei, der Tschechischen Republik und Deutschland, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

Die Kunst des Zusammenlebens. Wahrheit als Versuch, auf dem Weg des Verstehens der Welt zu bleiben. Die Welt zu verstehen ist ein wahrer Dialog zwischen Subjekten und Objekten der Welt, schreibt der Künstler und Kurator Tomáš Koudela in seinem Text zur Ausstellung. Und setzt folgende Zitate noch hinzu:

„Wenn etwas durch die Anstrengung der Vernunft in seiner Qualität und in seiner empirischen Faktizität auch gegen den Schein der Sinneswahrnehmung erkannt werden kann, dann ist die Behauptung von etwas Falschem eindeutig das Ergebnis eines unvorsichtigen Gebrauchs der Vernunft“ [1]

„Die primäre Aufgabe des Intellekts ist nicht das Wissen, sondern das Verstehen.“ [2]

Der Berliner Bildhauer MK Kaehne stellt hier seine neuesten Objekte „Do not touch…“ (2021) sowie „Portrait – My mother was …“ (2021) vor, die -seinem Gesamtkunstwerk entsprechend – mit den Paradoxien zeitgenössischer Wahrnehmung spielen.

„Do not touch the object“ – dieser Warnhinweis hängt dort als Ausstellungsobjekt selbst; hinter Glas gerahmt über dem auf einem musealen Mahagoni-furnierten Podest präsentierten Stromkabel mit – oops was ist das? – zwei Steckern! Einer liegt zum Greifen nahe auf schwarzem Samt, der andere steckt in der Steckdose, welche zu Glück nicht angeschlossen ist, denn sonst käme es zu einem Kurzschluß, bzw. zum Tod derjenigen Person, die der Warnung nicht folgt, und den Stecker berührt.

In unmittelbarer Nähe steht die hyperrealistisch nachgebildete Büste eines Jungen. Blaß, mit langem Pony vor den Augen und einem Ausdruck zwischen Gleichgültigkeit und Verweigerung sehen wir das Kind in einer Vitrine präsentiert. Es trägt einen bei der Jugend beliebten Hoodie mit Aufdruck: „My mother was a friend of an enemy of the people“; ein Zitat der Punk-Band Blurt. Oh Paradoxon, wie oft muss ich um die Ecke denken, um zu verstehen? Wenn der Freund der Mutter, der Vater des Jungen, ein Feind der Menschen ist, dann bringt der Junge zum Ausdruck, dass sein Vater ein „Arsc….h (beep)“ ist.

Tomáš Koudela führt in seinem Ausstellungstext weiter aus: Was ist eine Lüge? Das Bemühen, nicht in sich selbst zusammenzufallen und die sinnliche Welt zu verschlingen. Die Unfähigkeit, ein ideales Leben in der realen Zeit zu führen. Die Leere zwischen Subjekt und Objekt. Die Verweigerung der Fähigkeit, miteinander auszukommen, zusammen zu sein.

Die beiden Objekte „Zielscheibe“ und “ Komplett“zielen auf das Paradoxon von „Sich in Sicherheit wägen“ in einem „System der Sättigung“.

Das Ensemble mit der durchsichtigen Zielscheibe als Hintergrund für die (Schmuck-) Schatulle der Pistole ist eine Referenz zu der Produkt-Präsentation in Kaufhaus-Schaufenstern. „Luxeriös“ ist das Prädikat, das einer beim Anblick dieser präzis gefertigten Objekte durch den Kopf schießt. Einmal erworben hängt das Kunstwerk an der Wohnzimmerwand, das Sonnenlicht erzeugt ein flirrendes Schattenspiel der Ziffern und Linien; ein Statussymbol, das die Gefahr in sich birgt, würde man seine bildliche Definition ernst nehmen.

Mit dem Bild der geöffneten Schatulle, Schutzhülle und Zielscheibe zugleich, führt der Künstler die eigentliche Funktion dieses Objektes ad absurdum. Ein Griff und die Pistole liegt kühl in der Hand der Kunstliebhaber:in; die Zielgrade verlängert, den Abzug gezogen, und der Schutz ist zerstört. Wie schmal ist eigentlich der Grat zwischen Sicherheit und Gefährlichkeit?  

Und dann sehen wir dort neben den Werken des polnischen Künstlers Robert Kusmirowski einen aufwändig gerahmten Leuchtkasten mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie: „Oh“ (2016). Zu sehen ist die Sesamstraßen-Figur Elmo, „ein typischer Dreieinhalb-Jähriger, der stets den anderen hinterherzottelt und unbedingt mit seinen älteren Freunden mithalten will“, wie auf der Website der Sesamstraße Deutschland zu lesen ist. “ Die fotografierte Plüschfigur sitzt allerdings neben einer mit einem Stern zusammengesteckten Svastika und schaut aufgeweckt neugierung darauf. Ein Steckspiel? Eine Demonstration? Es gruselt eine beim Betrachten.

„Wer über etwas lügt, entfernt sich vom Mechanismus der Wirklichkeit und erlebt sich durch die Verneinung als ein Ich, das, oft gegen jede Selbstverständlichkeit, selbst entscheiden will, was ist und was nicht ist. Auf diese Weise schafft der Mensch jene Distanz zur Welt, die sich dann in der ästhetischen Planung ganz anderer, fiktiver Welten fortsetzt.“  [3]


[1] Konrad Paul Liessmann. Filosofie zakázaného vědění Friedrich Nietzsche a černé stránky myšlení. Praha: Academia, 2000, pg.47.

[2] Ibidem, pg. 21.

[3] Ibidem, pg. 48.

Montag, 22. August bis Ende September 2022 in der Alfa-Galerie in Kasárny/Kulturpark

Ausstellende Künstler: Pavel Forman, Viktor Frešo, MK Kaehne, Tomáš Koudela, Robert Kuśmirowski, Honorata Martin, Marek Schovánek, Elena Steiner