Sculpture-Network Berlin Dialogue am 9. September 2023
Neun renommierte Berliner Galerien und das silent green präsentieren in dieser Sommerausstellung skulpturale und raumspezifische Installationen von Künstlern aus ihrem Programm in der ehemaligen Schießpulverfabrik.
Die Berliner GalerieEbensperger und das silent greenKulturquartier haben das Gelände erschlossen, um das glamouröse Theater mit Clubhaus und das zweigeschossige Bürogebäude als Ort für künstlerische Projekte wiederzubeleben.
Rund 60 ausgewählte Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern wie Eva Koťátková (Meyer Riegger), Heike Kabisch (ChertLüdde) oder Karin Sander (Esther Schipper) greifen den morbiden Charme des Ortes auf und regen dazu an, sich mit der Vergänglichkeit von Zeit und Raum, oder auch einem Künstler*innen-Atelier auseinanderzusetzen.
Renata Lucas (* 1971 in Ribeirão Preto) ist eine brasilianische Installations- und Konzeptkünstlerin, die in São Paulo lebt und arbeitet. In der Präsentation short cut ihrer Einzelausstellung bei neugerriemschneider (28.4. – 27.5.) baut Lucas auf konkurrierenden Vorstellungen von kontemplativer, nicht greifbarer Interaktion und deren quantifizierbarer Bewertung auf und lädt die Betrachter ein, sich aktiv an einer münzbetriebenen Installation zu beteiligen, die die Bedingungen der Aufmerksamkeit und die Prozesse der Interpretation neu überdenkt.
MK Kaehne (*1963 Vilnius/Litauen) ist ein deutsch-russischer Bildhauer, der in Berlin lebt und arbeitet. Neben den berühmt berüchtigten, funktionalen Kofferskulpturen des Bildhauers MK Kaehne zeigt die Ausstellung MUTTER neue Objekte, lebensgroß und hyperrealistisch dargestellte Menschen – einen weiblichen Akt sowie die Büste eines Jungen – in der für Kaehne typischen Ästhetik. In der Galerie Semjon Contemporary dreht sich alles um das Thema „Mutter“ in mannigfaltiger Version. Kaehne, der in Moskau und Berlin aufgewachsen ist und seine künstlerische Laufbahn nach seinem Studium an der Kunsthochschule Weißensee (1983-88) in der Wendezeit begann, ist vom russischen Konstruktivismus geprägt. Sein Werk ist stark analytisch, greift biografische, politische und dadaistische Elemente auf; die Resultate aber sind ironisch.
Am Samstag, den 27. Mai 2023, biete ich im Rahmen der Dialog-Veranstaltungen des europäischen Bildhauer*innen-Netzwerkes Sculpture Network eine Führung zum Thema „Konzeptkunst“ an. Anmeldung über das Büro.
22. – 30. Juli 2023 im historischen Industriegebiet Darmstadts
Georg-Friedrich Wolf: Ikarus, 2022.
Die aktuelle Ausschreibung zum zweiten WOLF-WERK Bildhauersymposion IKARUS -Der Höhenflug, das vom 22. – 30. Juli 2023 in der lichtdurchfluteten Halle 109 auf dem ehemaligen Schenk-Gelände im historischen Industriegebiet Darmstadts stattfindet, ist veröffentlicht. Bewerbungsschluss ist der 1. Juni 2023.
Bildhauer:innen aus ganz Europa sind eingeladen, sich in ihrem Material, sei es Stahl, Stein oder Holz, zum Thema „IKARUS – Der Höhenflug“ auszudrücken und von den Synergien des Symposions zu profitieren. Über einen Zeitraum von acht Tagen erhalten drei bis vier Bildhauer:innen die Möglichkeit in professioneller Umgebung zu kreativem Austausch und gemeinsamem Schaffen an unterschiedlichen Skulpturen zusammen zu kommen.
“Wolf’s initiative bridged the gap between different worlds. There was curiosity about each other’s work. There was an atmosphere in which working together was very good and natural. In addition,
I would like to mention the enormous hospitality and the great atmosphere of the huge and super organized workshop.
In short, it was very worthwhile to participate in this workshop, as together you build a cathedral, you just don’t do that alone.”
Bildhauerin Susanne Roewer beim Symposion Balance 2021
Georg-Friedrich Wolf ist ein wunderbarer Gastgeber und energetischer Bildhauer, der seine großen technischen Fähigkeiten und Möglichkeiten mit verrückten Inspirationsideen (Einladung von Zirkusartisten etc.) verbindet.
Er nimmt die eingeladenen Kolleginnen und Kollegen mit auf freie Assoziations-Reisen, eine bestens ausgestattete Materialspielwiese und bietet zusätzlich ein Präsentationspodium.
Das Wolf-Werk ist ein großartiger Ort, um Routinen abzuwerfen und im Austausch mit Gleichgesinnten neue Wege zu beschreiten.“
Das Symposion ist eine Zusammenarbeit mit der europäischen Bildhauer-Vereinigung Sculpture Network und wird organisiert von der Sculpture Network-Koordinatorin für Berlin, Anemone Vostell | BAM! Berlin Art Management.
Eine Ausstellung von MK Kaehne in Zusammenarbeit mit Galerie Semjon Contemporary
MK Kaehne: o.T., 2015-19 (Detail), Mixed Media, Epoxidharz, Ölfarbe, 167 x 147 x 219 cm (mit Sockel)
Eine weibliche Figur sitzt nackt auf einem Bett und betrachtet ihren Schoß. Das ist der Haupt-Akt der Ausstellung des deutsch-russischen Bildhauers in der Berliner Galerie Semjon Contemporary in Mitte. Hyperrealistisch formuliert Kaehne die Frage nach der Geschlechteridentität in unserer postmodernen Zeit. Das Bett einem Podest gleich, hebt die Frau auf Augenhöhe mit dem Betrachter. Es erfolgt keine Überhöhung im Stil einer christlich-abendländischen Ikonographie. Das Bild der Mutter wird enttabuisiert; die Frau kann sagen, dass sie keine Erfüllung mehr im Mutterdasein empfindet. Gleichsam ist sie nicht länger als Objekt der Begierde dargestellt, sondern nüchtern in Selbstschau versunken.
MK Kaehne: MUTTER, 2019. Acrylglas, LED, 33 x 132 x 6 cm
Wie die Reklame eines Unternehmens prangt die Leuchtschrift MUTTER in kapitalen Lettern hinter ihrem Rücken. Ein veraltetes Konzept, das seltsam im Kontrast zur hyperrealistisch dargestellten Nacktheit der Frau steht. Leberflecke, Hautrötungen, ungeschminkt sitzt sie da. Will nicht gefallen und interessiert sich auch nicht dafür, wie sie ankommt. Über einen Schmink-Spiegel in Selbstschau versunken, ist sie es, die sich da definiert. Ein Akt der Selbstermächtigung. Nicht der Betrachter hat die Macht, über ihre Identität zu bestimmen, sondern die Frau.
Beigeordnet sind ihr der Koffer:Handtasche, aus schwarzem Lack, ausgelegt mit schwarzem Velours, der eine Handtasche, einen Baseballschläger und Hygiene-Tampons enthält; ebenso wie ein Edelstahl-Schneebesen im Objektkasten mit Plexiglashaube, auf der die eingravierte Losung „Destroy“ zu lesen ist. Edel und luxuriös kommen die detailgetreu gefertigten Objekte daher. Erst auf den zweiten Blick fällt die Brutalität und Agression ins Auge. Wie geht das zusammen mit der harmlos aussehenden Dame da auf Bett?
MK Kaehne: Koffer:Handtasche, 2019, Mixed Media, Epoxidharz, Velours, 68 x 116,5 x 79cm (mit Sockel)
Mit der Aussage „Die Vorliebe der Bourgeoisie für den Surrealismus ist Ausdruck ihrer andauernden Pubertät. Mutter“, lässt MK Kaehne einen Wandteller, Symbol von Spießigkeit, verzieren; hinterfragt die bekannten Stereotype.
Kaehne, der 1963 in Vilnius, Litauen (UdSSR) geboren wird, seine Kindheit und Jugend in Moskau, später in Berlin-Ost verbringt, und seine künstlerische Karriere in der Wendezeit startet, macht die Erfahrung, dass die kommunistische Idee von innen gescheitert ist: die, die den Kommunismus proklamiert haben, sind Dikatoren geworden; der glühende Gedanke war gekoppelt mit Spießigkeit und Borniertheit.
Teller, 2019. Gravur auf Porzellan, Edition von 20, 33 x 1,5 cm
Seine Biografie hat ihn zur künstlerischen Auseinandersetzung mit dem russischen Konstruktivismus geführt. Streng analytisch arbeitet Kaehne am Thema, das Resultat aber ist ironisch. Das biografische Erleben des Künstlers wird Projektionsfläche, die Subjektivtät so lange abstrahiert, bis das allgemein Gültige zu erkennen ist, grammatkalisch-formal wie inhaltlich-diskursiv. „Alles kann in die Kreativität einfließen, durch wachsames Beobachten, ohne Absicht, ohne Wollen. Nur muss es unbedingt wertfrei sein!“ sagt MK Kaehne.
Im Kabinet der Galerie ist eine weitere vom Künstler hyperrealistisch gefertigte Figur zu sehen: die Büste eines Jungen, präsentiert auf einem Sockel mit Plexiglashaube, ein Vitrinenkasten in sowjetrussischem Stil. Der Junge trägt ein Kapuzenshirt mit dem aufgestickten Schriftzug „My mother was a friend of an enemy of the people„; einem Song der Punk-Band blurt entlehnt. Auch hier kein Bruch, sagt der Künstler, denn auch Punk ist Pop (Populär-Musik).
Mit dieser Figur leitet MK Kaehne zu seiner neuen Werkgruppe, oder besser gesagt einem ganzen Zyklus über: „Pi = 3,141...“, einer Endlosserie von Zeichnungen und Objekten, in denen Biografisches, Persönliches, Dadaistisches und Politisches verschmilzt, inszeniert als Gesamtkunstwerk.
„Do not touch …“ (the object) ist da im Rahmen über dem Podest, auf dem in Griffhöhe ein Stecker mit Kabel liegt, zu lesen. Das Kabel hat am anderen Ende auch eine Stecker, der führt hinunter auf den Boden und in eine Steckdose hinein. Ein Paradoxon, das so in der Elektrik gar nicht möglich wäre, und sogar verboten ist.
MK Kaehne spielt die Grammatik der zeitgenössischen Kunst frei nach Boris Groys durch, verortet sich: (Hyper-) Realismus als Antwort auf Realität.
Vernissage: 21. April 2023, 19 Uhr
Gallery Weekend Berlin: 28. – 30. April, Fr/Sa 13 – 19 Uhr, So 13 – 17 Uhr
Künstlergespräch: 6. Mai 2023, 15 Uhr
Ausstellungsdauer: 22.4 – 3.6.2023
Semjon Contemporary, Schröderstr. 1, 10115 Berlin-Mitte; Di – Sa 13 – 19 Uhr u.n.V.
Anlässlich des 90. Geburtstags von Wolf Vostell widmet ihm das Kunsthaus Dahlem – (von 1984 bis zu seinem Tod 1998 Schaffensort des Fluxus- und Happening-Künstlers) – die Ausstellung KUNST NACH DER SHOAH – Wolf Vostell im Dialog mit dem NOArt-Künstler Boris Lurie. Beide Künstler bezogen mit ihrer Kunst politisch Stellung, und arbeiteten die unvorstellbaren Schrecken des Holocaust auf. Die Direktorin und künstlerische Leiterin des Museums, das in den Gebäuden des Ateliers von NS-Bildhauer Arno Breker beheimatet ist, führt in die Thematik ein.
Programm:
16:30 Uhr: Ankunft der TeilmehmerInnen und Willkommensgruß 16:45 Uhr: KuratorInnen-Führung mit Dorothea Schöne, Direktorin und künstlerische Leitung Kunsthaus Dahlem 18:00 Uhr: Get-Together mit Speis und Trank
Programmsprache ist Deutsch.
Teilnahmebeitrag: 25,- EUR Für sculpture network Mitglieder: 15,- EUR
Die Anmeldung erfolgt über Sculpture Network hier.
Wolf Vostell: Bomber über Berlin 1945, 1990. Miniaturflugzeug, Sprühfarbe und Blei auf Fotografie, 74,5 x 105,5 x 13,5 cm. Sammlung Jochheim. (c) VG Bildkunst, Bonn 2022. Foto. Gunter Lepkowski
Über die Ausstellung „KUNST NACH DER SHOAH – Wolf Vostell im Dialog mit Boris Lurie“
Zwei Künstler, ein Thema – als Wolf Vostell (1932–1998) und Boris Lurie (1924-2008), sich in den 1960er-Jahren kennenlernten, verband sie bald mehr als eine tiefempfundene Freundschaft. Beide bezogen mit ihrer Kunst politisch Stellung, beide beschäftigten sich mit der Aufarbeitung der unvorstellbaren Schrecken des Holocaust, beide traten Krieg, Grausamkeit und Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit aller Kraft entgegen. Ihre rauen Arbeiten widersetzen sich einer einfachen Konsumierbarkeit, die ihnen als ein Gräuel des Kunstbetriebs erschien. Heute erscheinen die Werke der beiden Künstler aktueller denn je, setzen sie doch auf eine Art Schocktherapie, mit der sie das Publikum auf die Kontinuität von Gewalt und Menschenverachtung aufmerksam machen.
Anna Franziska Schwarzbach: Bettelnder weiblicher Plagegeist. Gußeisen.
Am 22. September 2022 gibt es eine Kurator:innenführung, und die Geschäftsführerin Anke Schirlitz gewährt Einblick in die Arbeitsweise ihrer Kunstgießerei für Bronze, Aluminium und Kunststoff, die sich einer besonders engen, kreativen Zusammenarbeit mit Kunden und Künstlern verschrieben hat.
Paolo Primiero: Arbeiterhände (Hände des Meisters Hoche´, Eisengießerei P.&HP. Behr in Berlin Weissensee), 1991. Courtesy: the artist.
Programm:
15:30 – 17:00 Uhr Begrüßung und Einführung durch die Geschäftsführerin der Kunstgießerei, Anke Schirlitz. Anschließend Führung mit der Kuratorin und Künstlerin Anna Franziska Schwarzbach
17:00 Uhr Get together mit Vorstellungsrunde für sculpture network Mitglieder und solche die es werden wollen
Teilnehmer:innengebühr: 20,00 Euro (normaler Preis), 10,00 Euro sculpture network Mitglieder Bitte bar (passend) vor Ort zahlen. Umfasst Willkommensgetränk und Snacks, Führung, Einführung in die Kunstgießerei, Netzwerken.
In Kooperation mit Kunstgießerei Altglienicke
Der Dialog wird von der neuen Koordinatorin von sculpture network für Berlin, Anemone Vostell, organisiert. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrungen im internationalen Kunstmarkt und im Kunstmanagement. Im Jahr 2020 gründete sie BAM! Berlin Art Management und bietet Künstlern, Kuratoren, Galerien und Sammlern maßgeschneidertes Projektmanagement.
Die Ausstellung „UMGANG“ in Zusammenarbeit mit der Galerie VUNU und der Kunstfakultät der Universität Ostrava befasst sich mit der Frage des menschlichen Zusammenlebens und präsentiert Werke von Künstlern aus der Slowakei, der Tschechischen Republik und Deutschland, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen.
Die Kunst des Zusammenlebens. Wahrheit als Versuch, auf dem Weg des Verstehens der Welt zu bleiben. Die Welt zu verstehen ist ein wahrer Dialog zwischen Subjekten und Objekten der Welt, schreibt der Künstler und Kurator Tomáš Koudela in seinem Text zur Ausstellung. Und setzt folgende Zitate noch hinzu:
„Wenn etwas durch die Anstrengung der Vernunft in seiner Qualität und in seiner empirischen Faktizität auch gegen den Schein der Sinneswahrnehmung erkannt werden kann, dann ist die Behauptung von etwas Falschem eindeutig das Ergebnis eines unvorsichtigen Gebrauchs der Vernunft“ [1]
„Die primäre Aufgabe des Intellekts ist nicht das Wissen, sondern das Verstehen.“ [2]
MK Kaehne: Do not touch…(2021) und Portrait, My Mother was… (2021), Ausstellungsansicht Galerie Alfa – Káserna Kulturpark, Košice, Slovakei
Der Berliner Bildhauer MK Kaehne stellt hier seine neuesten Objekte „Do not touch…“ (2021) sowie „Portrait – My mother was …“ (2021) vor, die -seinem Gesamtkunstwerk entsprechend – mit den Paradoxien zeitgenössischer Wahrnehmung spielen.
„Do not touch the object“ – dieser Warnhinweis hängt dort als Ausstellungsobjekt selbst; hinter Glas gerahmt über dem auf einem musealen Mahagoni-furnierten Podest präsentierten Stromkabel mit – oops was ist das? – zwei Steckern! Einer liegt zum Greifen nahe auf schwarzem Samt, der andere steckt in der Steckdose, welche zu Glück nicht angeschlossen ist, denn sonst käme es zu einem Kurzschluß, bzw. zum Tod derjenigen Person, die der Warnung nicht folgt, und den Stecker berührt.
In unmittelbarer Nähe steht die hyperrealistisch nachgebildete Büste eines Jungen. Blaß, mit langem Pony vor den Augen und einem Ausdruck zwischen Gleichgültigkeit und Verweigerung sehen wir das Kind in einer Vitrine präsentiert. Es trägt einen bei der Jugend beliebten Hoodie mit Aufdruck: „My mother was a friend of an enemy of the people“; ein Zitat der Punk-Band Blurt. Oh Paradoxon, wie oft muss ich um die Ecke denken, um zu verstehen? Wenn der Freund der Mutter, der Vater des Jungen, ein Feind der Menschen ist, dann bringt der Junge zum Ausdruck, dass sein Vater ein „Arsc….h (beep)“ ist.
Tomáš Koudela führt in seinem Ausstellungstext weiter aus: Was ist eine Lüge? Das Bemühen, nicht in sich selbst zusammenzufallen und die sinnliche Welt zu verschlingen. Die Unfähigkeit, ein ideales Leben in der realen Zeit zu führen. Die Leere zwischen Subjekt und Objekt. Die Verweigerung der Fähigkeit, miteinander auszukommen, zusammen zu sein.
MK Kaehne: Zielscheibe und Komplett (2011), Oh (2016); Robert Kusmirowski: Waterframe (2008), Chair (2021), Untitled (2012) v.l.n.r
Die beiden Objekte „Zielscheibe“ und “ Komplett“zielen auf das Paradoxon von „Sich in Sicherheit wägen“ in einem „System der Sättigung“.
Das Ensemble mit der durchsichtigen Zielscheibe als Hintergrund für die (Schmuck-) Schatulle der Pistole ist eine Referenz zu der Produkt-Präsentation in Kaufhaus-Schaufenstern. „Luxeriös“ ist das Prädikat, das einer beim Anblick dieser präzis gefertigten Objekte durch den Kopf schießt. Einmal erworben hängt das Kunstwerk an der Wohnzimmerwand, das Sonnenlicht erzeugt ein flirrendes Schattenspiel der Ziffern und Linien; ein Statussymbol, das die Gefahr in sich birgt, würde man seine bildliche Definition ernst nehmen.
Mit dem Bild der geöffneten Schatulle, Schutzhülle und Zielscheibe zugleich, führt der Künstler die eigentliche Funktion dieses Objektes ad absurdum. Ein Griff und die Pistole liegt kühl in der Hand der Kunstliebhaber:in; die Zielgrade verlängert, den Abzug gezogen, und der Schutz ist zerstört. Wie schmal ist eigentlich der Grat zwischen Sicherheit und Gefährlichkeit?
Und dann sehen wir dort neben den Werken des polnischen Künstlers Robert Kusmirowski einen aufwändig gerahmten Leuchtkasten mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie: „Oh“ (2016). Zu sehen ist die Sesamstraßen-Figur Elmo, „ein typischer Dreieinhalb-Jähriger, der stets den anderen hinterherzottelt und unbedingt mit seinen älteren Freunden mithalten will“, wie auf der Website der Sesamstraße Deutschland zu lesen ist. “ Die fotografierte Plüschfigur sitzt allerdings neben einer mit einem Stern zusammengesteckten Svastika und schaut aufgeweckt neugierung darauf. Ein Steckspiel? Eine Demonstration? Es gruselt eine beim Betrachten.
„Wer über etwas lügt, entfernt sich vom Mechanismus der Wirklichkeit und erlebt sich durch die Verneinung als ein Ich, das, oft gegen jede Selbstverständlichkeit, selbst entscheiden will, was ist und was nicht ist. Auf diese Weise schafft der Mensch jene Distanz zur Welt, die sich dann in der ästhetischen Planung ganz anderer, fiktiver Welten fortsetzt.“ [3]
[1] Konrad Paul Liessmann. Filosofie zakázaného vědění Friedrich Nietzsche a černé stránky myšlení. Praha: Academia, 2000, pg.47.
Zwei Künstler, ein Thema – als Wolf Vostell (1932–1998) und Boris Lurie (1924–2008) sich Mitte der 1960er-Jahre kennenlernten, verband sie bald mehr als eine tiefempfundene Freundschaft. Beide bezogen mit ihrer Kunst politisch Stellung, beide beschäftigten sich mit der Aufarbeitung der Schrecken des Holocaust, beide traten Krieg und Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit aller Kraft entgegen.
Ihre rauen Arbeiten widersetzten sich einer einfachen Konsumierbarkeit, die ihnen als ein Gräuel des Kunstbetriebs erschien. Heute wirken die Werke der beiden Künstler aktueller denn je, setzen sie doch auf eine Art Schocktherapie, mit der sie das Publikum auf die Kontinuität von Gewalt und Menschenverachtung aufmerksam machen.
Wolf Vostell und das Atelier in Berlin-Dahlem
Wolf Vostell gehört zu den bedeutendsten deutschen Künstler:innen des 20. Jahrhunderts und ist insbesondere als Mitbegründer der Fluxus-Bewegung bekannt.
Anlässlich seines 90. Geburtstages widmet das Kunsthaus Dahlem ihm und seinemKünstlerkollegen Boris Lurie eine Ausstellung, die sich auf die künstlerische Aufarbeitung des Holocausts und der jüngeren deutschen Vergangenheit fokussiert.
Mit dem Ausstellungsort verbindet Wolf Vostell eine besondere Geschichte: Anfang der 1970er-Jahre zog der politisch engagierte Künstler aus dem Rheinland nach Berlin. Ihm erschien der Umzug in den »tragischen Luftkurort«, wie er die Stadt nannte, zwingend notwendig: »Weil [der Ort] ja unsere Geschichte beinhaltet und diese Geschichte verarbeite ich in meinen Bildern und in meinen Objekten.«
Die Stadt Berlin übertrug Vostell 1984 ein Atelier in Dahlem auf Lebenszeit. Die neue Wirkungsstätte befand sich in einem repräsentativen Ateliergebäude, das die Nationalsozialisten von 1938 bis 1942 für den Bildhauer Arno Breker erbaut hatten. Breker hatte in der NS-Zeit nicht nur zahlreiche Privilegien genossen, sondern mit seinen Werken aktiv die Ideologie und Ästhetik des NS-Regimes umgesetzt, insbesondere mit seinem Figurenschmuck für die zukünftige Reichshauptstadt Germania.
Aufarbeitung der Shoah
An diesem historischen Ort führte Wolf Vostell seine Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts fort, die er Ende der 1950er-Jahre begonnen hatte. Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Diktatur und des Holocaust beschäftigte Vostell in allen Schaffensphasen – in einer Dichte und Vielfalt der künstlerischen Mittel wie kaum einen anderen Künstler seiner Zeit.
In der Ausstellung stehen dafür exemplarisch zwei Arbeiten, die wie eine Klammer sein Werk umschließen. So stehen sich Auschwitz-Scheinwerfer 568 von 1958/59 und dasüber sieben Meter lange Triptychon Shoah 1492–1945 von 1997 gegenüber. Im Zentrumdes großformatigen Bildes stürzt ein gemalter Betonpfeiler auf sich überlagernde,abstrakte Formen, die an manchen Stellen als Körperteile erkennbar sind. Vostell, derauch im spanischen Malpartida de Cáceres lebte, widmete das Werk den 1492 ausSpanien vertriebenen Juden ebenso wie den durch das NS-Regime Ermordeten. Seit 1992 hatte der Künstler mit der Motivfindung begonnen und das Werk schließlich 1997, einJahr vor seinem Tod, vollendet.
Im gleichen Jahr äußerte er sich zur Verbindung derbeiden Werke: »Das ist dasselbe in Grün. Das Erste waren Objekte, kein Menschenbild,aber Zerstörungsreste von Menschen und über Menschen. Und der Raum hat alsodeshalb diese Widmung an Auschwitz und an Treblinka. Dieses Mal hat mich eine Figuration interessiert, die nicht illustrativ ist, sondern die Zerstörung im phänomenologischen Sinne zeigt, natürlich gebunden an das Thema. Es ist die Brückevon ’58 bis ’97, zwei Brückenpfeiler, über die eine Brücke geht, über die ich wahrscheinlich noch länger gehen werde.«
Boris Lurie und Wolf Vostell – mehr als eine Künstlerfreundschaft
Im Dialog mit Wolf Vostell stehen in der Ausstellung ausgewählte Arbeiten von Boris Lurie. Beide verband seit den 1960er-Jahren eine enge Freundschaft. Lurie wuchs in Riga auf und erlebte als Jude die Schrecken der Shoah am eigenen Leib. Vostell wollte diese traumatischen Erfahrungen als Deutscher nachempfinden. Es entstand ein intensiver Austausch zwischen den beiden Künstlern.
Während der weibliche Teil der Familie dem Massenmord der Nationalsozialisten zum Opfer fiel, überlebten Boris Lurie und sein Vater Ilja. Ab 1941 wurden die beiden in verschiedene Konzentrationslager verschleppt und am 18. April 1945 aus der Munitionsfabrik Polte in Magdeburg, einem Außenlager des KonzentrationslagersBuchenwald, befreit. 1946 wanderten sie nach New York aus, wo Boris Lurie 1959 die NO!art-Bewegung ins Leben rief.
Boris Lurie: A Jew Is Dead, 1964. Farbe und Papiercollage auf Leinwand, 170 x 295 x 5 cm
Luries Kunst zielte nicht auf Mitleid für die Opfer der Shoah, »sondern auf Erschrecken«. In seinen Werken brachte er immer wieder die nackten Leichenberge des Holocaust mit aufreizenden Pin-ups als Produkte des seiner Meinung nach gleichen inhumanen Systems zusammen. Sein erklärtes Anliegen bestand darin, das Publikum aus seiner selbstzufriedenen Passivität zu reißen und ihm das Fortleben verbrecherischer Systeme vor Augen zu führen. Nicht nur thematisch, sondern auch formal verfolgten die beiden Künstler-Freunde ähnliche Ziele und Strategien. Die zahlreichen inhaltlichen und stilistischen Parallelen zeichnet die Ausstellung im Kunsthaus Dahlem erstmals detailliert nach.
Im Rahmen der Sommerausstellung des Kunstraum Dreieich zeigt der Stahlbildhauer Georg-Friedrich Wolf – gemeinsam mit Künstlern wie Eric Decastro, Stephan Balkenhol und Bernar Venet – sechs seiner Werke aus den Jahren 2014 bis 2022. Darunter Arbeiten wie „Fingerprint IX“ (2019) aus dem Werkzyklus „The Missing Piece“, eine 1000 kg schwere Schweißkonstruktion aus Massivplatten. Den „Himmelzeiger“ (2021) aus dem Zyklus „Eisenzeit“, roh oxydierter Baustahl zur Kugel mit Zeiger geschweißt. Brandneu ist die Arbeit „QR-Code 25×25“, aus dem Zyklus „Erben des Prometheus“ in dem Wolf die aktuelle Zeitqualität thematisiert: eine Übersetzung des schnelllebigen, digitalen QR-Codes in Baustahl, gefräst, verzundert und geölt. Nachhaltig?
HTW-Studenten helfen beim Aufstellen der Skulptur vor der Rathenau-Villa in Berlin-Oberschöneweide
Zum Auftakt der im Herbst dieses Jahres stattfindenden 9. Internationale Konferenz für zeitgenössische Gusseisenkunst (ICCCIA – International Conference on Contemporary Cast Iron Art) wurde die Skulptur „Gesprengte Ketten“ von Stahlbildhauer Georg-Friedrich Wolf vor der Rathenau-Villa im Oberschöneweide aufgestellt.
Georg-Friedrich Wolf: Gesprengte Ketten, 2002. Eisenskulptur aus geschmiedeten Stabketten, H 4,7 m
Susanne Roewer, die zusammen mit Prof. Susanne Kähler von der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW), die Fachtagung für die Erforschung und Praxis der zeitgenössischen Gusseisenskulptur ausrichtet und ebenfalls Bildhauerin ist, erklärt gemeinsam mit Hausherr Constantin Rehlinger, Chef der Elektro-Innung Berlin, dass über den Sommer weitere Skulpturen am neu anzulegenden Hochschulcampus aufgestellt werden, und so praktisch die ehemalige Verbindung der Rathenau-Villa zur Novilla (Hasselwerder Villa) am anderen Spreeufer nachbilden.
Constantin Rehlinger (GF Elektro-Innung Berlin) und Stahlbildhauer Georg-Friedrich Wolf
Fotos: Gerhard Haug und Steffen (Skulptur)
This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Cookie settingsACCEPTReject
Privacy & Cookies Policy
Privacy Overview
This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these cookies, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may have an effect on your browsing experience.
Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. This category only includes cookies that ensures basic functionalities and security features of the website. These cookies do not store any personal information.
Any cookies that may not be particularly necessary for the website to function and is used specifically to collect user personal data via analytics, ads, other embedded contents are termed as non-necessary cookies. It is mandatory to procure user consent prior to running these cookies on your website.